Der Biber an der Kleinen Sülze bei Barleben – ein Landschaftsgestalter für die Artenvielfalt
Körperbau und Lebensweise
Der Europäische Biber (Castor fiber) ist mit einer Gesamtlänge von bis zu 135 cm unser größtes einheimisches Nagetier. Mit einem Körpergewicht von 20 bis 30 kg wiegt er annähernd so viel wie ein ausgewachsenes Reh. Während er mit seinen kurzen Beinen an Land eher langsam und unbeholfen erscheint, ist der Biber durch seinen abgeflachten Schwanz („Kelle“) und seine ausgeprägten Schwimmhäuten hervorragend an das Leben im Wasser angepasst. Hier ist er in Bezug auf Schnelligkeit, Geschicklichkeit und Ausdauer vielen anderen Tierarten überlegen. Bei drohender Gefahr taucht er blitzschnell unter die Wasseroberfläche, um dann wenig später an ganz anderer Stelle wieder aufzutauchen.
Im Sommer besteht die Nahrung des Bibers aus verschiedenen Kräutern, Schilf oder Rohrkolben. Im Winter frisst er mit Vorliebe Zweige und Rinde von Weiden und Pappeln, aber auch von vielen anderen Gehölzen. Seine kräftigen orange-roten Schneidezähne wachsen, wie bei allen Nagetieren, das ganze Leben lang nach.
Die Lebenserwartung eines Bibers liegt bei 10-15 Jahren. Ein Familienverbund besteht aus den monogam lebenden Elterntieren und dem Nachwuchs aus zwei aufeinanderfolgenden Jahren. Seine trockenen Wohnröhren gräbt der Biber in die Uferböschung. Der Eingang befindet sich grundsätzlich unter der Wasseroberfläche, wodurch er für Fressfeinde unzugänglich ist. Sobald die Decke über dem Bau zu dünn wird und einzustürzen droht, werden Erdreich und Äste aufgeschichtet, was zur Entstehung der arttypischen Biberburgen führt.
Verbreitungsgebiet
Einst besiedelten Biber fast alle Gewässer des Flach- und Hügellandes in Europa. Durch eine intensive Bejagung wurde er jedoch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts nahezu ausgerottet. Durch die Bemühungen einiger weniger Leute in der Region um Dessau konnte ein Restbestand aus der Unterart des Elbebibers überleben und so vor dem Aussterben bewahrt werden. Seit etwa 50 Jahren erholen sich die Bestände an der mittleren Elbe und ihrer Nebenflüsse wieder. Nach und nach kehren Biber in das Flussgebiet der Weser und anderer Flüsse zurück. Auch bestimmte Abschnitte des Telzgrabens und der Kleinen Sülze im Technologiepark konnten in den vergangenen Jahren erfolgreich wiederbesiedelt werden.
Landschaftsgestalter
Ist dem Biber ein Gewässer zu flach, errichtet er an einer geeigneten Stelle einen stabilen Staudamm aus Ästen und Zweigen von Bäumen, die er zuvor mit seinen starken Nagezähnen gefällt hat. Dieser Damm wird dann mit Schlamm und Steinen vom Grunde des Gewässers regelmäßig abgedichtet und ausgebessert, sodass fast kein Wasser mehr hindurch laufen kann. Auf diese Weise entstehen sogenannte „Biberteiche“ von einigen Quadratmetern bis zu mehreren Hektar Größe, in denen der Biber ungehindert schwimmen und tauchen kann. Angrenzende Flächen werden durch den Anstau (wieder) vernässt. Der erhöhte Grundwasserstand führt dazu, dass nicht standortangepasste Bäume und Sträucher absterben, wodurch wertvolle Lichtungen entstehen. Aus begradigten und gleichmäßig dahinfließenden Bächen entwickeln sich strukturreiche Gewässerlandschaften, in denen viele weitere Arten einen Lebensraum finden. Wie kaum ein anderes Tier schafft es der Biber somit, ganze Landschaften großflächig zugunsten der biologischen Vielfalt zu verändern.
Artenvielfalt im Biberrevier
Im Einzugsgebiet eines Biberreviers ist die Artenvielfalt nachweislich besonders hoch. So leben am Biberstaudamm Tier- und Pflanzenarten stehender und schnell fließender Gewässer unmittelbar nebeneinander. Die Ausbildung flacher und tiefer Gewässerabschnitte führt zur Zunahme von Insekten und anderen Wirbellosen, wodurch die Nahrungsverfügbarkeit für höher entwickelte Tierarten automatisch verbessert wird. Vermoderndes Totholz und untergetauchtes Geäst abgestorbener Bäume bieten vielfältige Versteckmöglichkeiten für junge Fische, Kaulquappen und Insektenlarven.
Sowohl der Staudamm als auch die Biberburg bieten kleine Nischen und Versteckmöglichkeiten mit unterschiedlichen Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnissen. Aufgrund der verringerten Strömungsgeschwindigkeit kommt es oberhalb des Biberdamms zu einem Anstieg der Wassertemperatur und zur Ablagerung von Sedimenten auf dem Gewässergrund. Durch die damit einhergehende Nähstoffanreicherung können Pflanzenarten gedeihen, die wiederum die Ernährung des Bibers im Jahresverlauf sicherstellen.