Pflege der Binnendüne oder Baumfrevel ?
Die 10 NABU-Mitglieder, die sich am 11. Januar zum Arbeitseinsatz am Hägebach nördlich von Samswegen trafen, waren davon überzeugt, dass sie an diesem Tage wichtige Naturschutzmaßnahmen umsetzen werden. Es stand die Beseitigung von jungen und mittelalten Kiefern von dem geschützten Biotop „Binnendüne“ auf dem Programm. Diese Maßnahme war langfristig vorbereitet worden. Im Jahr 2018 hatte die studierte Landschaftspflegerin Susen Schiedewitz im Auftrag der unteren Naturschutzbehörde ein Jahr lang die Libellenfauna am Hägebach sowie die Insektenfauna auf und neben der Binnendüne untersucht.
Die Ergebnisse versetzten nicht nur die Mitarbeiter der Naturschutzbehörde in Erstaunen, sondern auch die Naturschützer vom NABU. Trotz der geringen Größe dieser ehemaligen Binnendüne, der begrenzten für die Erfassung zur Verfügung stehenden Zeit sowie der extremen Trockenheit im Sommer 2018 wurden von Frau Schiedewitz hier überraschend viele Insektenarten erfasst, dabei waren auch Insektenarten, die auf der Roten Liste verzeichnet sind. Das bedeutet, dass dieses kleine Biotop eine sehr große Bedeutung für die Erhaltung der Artenvielfalt besitzt.
Emotionaler Super-GAU
Mit viel Elan und hochmotiviert gingen die NABU-Aktiven ans Werk. Doch dann kam ein kleiner Junge mit seinem Bruder, seiner Cousine und seinen Großeltern. Der kleine Junge weinte bitterlich als er sah, dass Bäume abgesägt werden, wo er regelmäßig mit seinen Großeltern spazieren geht, wo er mit seiner Cousine auf Bäume klettert oder mit seinen Kindergartenfreunden Verstecken spielt. Der kleine Junge weinte aber nicht nur, er brachte seinen Unmut auch selbstbewusst und lautstark, wenn auch schluchzend, den NABU-Aktiven gegenüber zum Ausdruck. Er konnte einiges über die Tiere und Pflanzen erzählen, die er hier schon entdeckt hatte.
Oder reine Vernunft
Die von Susen Schiedewitz und Jörg Brämer vorgetragenen fachlichen Argumente, konnten den kleinen Kerl nicht beruhigen.
Auch die Großeltern, die als alteingesessene Samsweger seit vielen Jahren das Gebiet kennen und die in Berlin wohnende Cousine, die stets in den Ferien hier die Natur genießt, ließen sich von den Argumenten der Naturschützer nicht überzeugen. Mehr als eine Stunde lang wurden die Argumente ausgetauscht, während der kleine Junge den NABU-Verantwortlichen seine Lieblingsplätze zeigte. Durch die Sichtweise der Kinder kam der NABU-Einsatzleiter sehr ins Grübeln, denn die Kinder hatten doch einen ganz anderen Blick auf dieses Biotop.
Für sie ist die Natur wertvoll, wenn sie sich verstecken können, wenn Kletterbäume dort sind, wenn „Wildnis“ ist. Da konnte die Pflegemaßnahme des NABU niemals auf Verständnis stoßen. Die Hinweise und Wünsche der Kinder verfehlten nicht ihre Wirkung. Es blieben einige Bäume mehr stehen, als es sonst vielleicht der Fall gewesen wäre.
Eine Bank als Vermittler
Die Minen der Kinder nahmen erst wieder freundliche Züge an, als sie die neue Sitzbank mit Blick auf die Hägebachwiesen ausprobieren konnten. Sie waren die allerersten Benutzer der von der Erbengemeinschaft Herrmann gespendeten Sitzbank, die während des Arbeitseinsatzes vom NABU aufgestellt wurde.
Komplexe Zusammenhänge besser darstellen
Somit war es letztendlich ein erfolgreicher Arbeitseinsatz des NABU. Es wurden ca. 50-60 Kiefern gefällt. Die großen Mengen von Ästen werden geschreddert. Das Stammholz wird als Brennholz weiterverwendet.
Eine wichtige Lehre für die NABU-Verantwortlichen die wir aus diesem Einsatz mitnehmen ist: Pflegemaßnahmen wie diese müssen noch besser vorbereitet werden. Insbesondere für die Information der Öffentlichkeit muss noch viel mehr Zeit und Mühe investiert werden.
Wissenschaftliche Fakten und naturschutzfachliche Argumente sind nicht für jedermann offensichtlich. Sinnvolle und zweckdienliche Pflegemaßnahmen können daher ganz schnell das Gegenteil von dem bewirken, was die Organisatoren beabsichtigen. Anstatt Verständnis und Unterstützung kann es schnell zu Ablehnung und Frust in der ortsansässigen Bevölkerung kommen, wenn die Menschen nicht ausreichend informiert und überzeugt werden.
Leider scheitert für viele Mitbürger eine Diskussion zu komplexen Zusammenhängen an deren unvollständigen Wissen über Natur. Viele Bürger leben in der Vorstellung, dass sicht die Welt mit einfachen Zusammenhängen erklären lässt. In unserem Fall: Bäume sind generell gut und Leute die Bäume abschneiden, die dann auch noch behaupten Umweltschützer zu sein, sind überhaupt nicht zu verstehen.
So begann die Diskussion mit dem aufgebrachten Großvater des kleinen Jungen schon mit einem Missverständnis. Die Annahme das es sich um Bäume in einem Wald handelt stimmte einfach nicht.
Und auch die Natur gibt es in unserer Landschaft schon lange nicht mehr. Wir leben schon viele Generationen in einer Kulturlandschaft in der wir uns als Menschen vor einigen tausend Jahre zugemutet haben diese nach unseren Vorstellung zu verändern. Hat man damit begonnen, muss man diese Steuerung auch umweltverträglich weiterführen.
Löwenjagt auf der Binnendüne
Die überregionale Bedeutung des gesetzlich geschützten Biotops „Binnendüne“ ist längst noch nicht jedem Samsweger bekannt, obwohl der Erlenbruchwald und die Feuchtwiesen am Hägebach sowie die Sandtrockenrasen und offenen Sandflächen auf der Binnendüne bereits Jahr für Jahr das Ziel von Exkursionen des NABU mit verschiedensten Personengruppen sind. Auch die Grundschule „Am Heiderand“ aus Samswegen veranstaltet alljährlich mit den Schülern der Klassenstufen 1 bis 4 hier gemeinsam mit dem NABU den „Tag der Artenvielfalt“ Bei dieser Gelegenheit haben die Kinder viele Tiere und Pflanzen ihrer Umgebung kennengelernt. Dabei waren sie auch mehrfach auf der „Löwenjagd“. Versteckt im Sand der Binnendüne lebt nämlich der Ameisenlöwe. Das ist die Larve der Ameisenjungfer, eine der Arten, die hier auf der Binnendüne vorkommen, jedoch nur so lange es hier offene und von der Sonne beschienene Sandstellen gibt.
(Bild zum Ameisenlöwen)
Die nächstgelegenen gleichartigen Biotope mit ähnlicher Artenausstattung sind kilometerweit entfernt. Der Ameisenlöwe ist also ein gutes Beispiel für die Insektenarten, deren Lebensraum mit dem Arbeitseinsatz erhalten werden sollte.
Ehrenamtliches Engagement
Wie wäre es, wenn sich noch mehr als die an diesem Wochenende engagierten NABU Mitglieder an der aktiven Pflege der Umwelt beteiligen würden ?
Der auf dem Bild sichbare Teil ist nur ein kleiner Teil aller abgeschnittenen Ästen. Ingesamt sind hier noch mehr als 30m³ Äste zu verladen und zu entsorgen.
Das passiert übrigens alles ehrenamlich mit einem Nutzen für die Allgemeinheit ! Es wäre also schön, wenn Sie gelegentlich auf diese Internetseite sehen würden und dann bei Terminen zu Arbeitseinsätzen einfach auftauchen und mithelfen.